Wolfgang Gerhard in Birkenau
Wolfgang Gerhard in Birkenau - Impressionen
WNOZ vom 12.09.2017
Birkenau. Eine weltoffene, tolerante Grundeinstellung heißt nicht, sich nicht abgrenzen zu können. Dr. Wolfgang Gerhardt hat das mit seinem Grundsatzreferat zum Liberalismus in Birkenau gezeigt: Er grenzt sich ab gegen nationale, rechtsextreme…
Tendenzen, der Einkapselung und Grenzziehung und gegen in seinen Augen „linkes Wunschdenken“. Der frühere Bundesvorsitzende der FDP, Fraktionsvorsitzende in Bund und Land und heutige Leiter der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, sprach auf Einladung des Birkenauer FDP-Ortsverbandes mit Uwe Zeffner an der Spitze im Festsaal von Blumen Adrian. Moderiert wurde die anschließende Diskussionsrunde vom Bergsträßer FDP-Direktkandidaten Till Mansmann. Ihm werden – auf Platz fünf der Landesliste gesetzt – realistische Chancen zum Einzug in den nächsten Deutschen Bundestag eingeräumt.
Es sollte bei der Veranstaltung vordergründig nicht um Wahlkampf gehen, sondern um die Auseinandersetzung „mit schwierigen Themen unseres Landes, anstatt Stimmung zu machen“, wie in der Einladung stand. Gerhardt als frei und präzise formulierender Redner wurde diesem Anspruch gerecht. Er streifte so gut wie alle Themenfelder, die die Politik und die aktuellen Debatten ausmachen; angefangen vom Engagement der Friedrich-Naumann-Stiftung im Nahen Osten mit dem Umzug von Kairo nach Amman über Themen wie Bildung, Wettbewerb, Mittelstandsförderung bis hin zu den aktuellen Meinungsverschiedenheiten mit den europäischen Nachbarn.
Gerhardts Rede war ein Credo für Freiheitsrechte, für die Würde des Menschen, für Selbstverantwortung und für Ehrlichkeit in allen Bereichen: „Wir sind nicht allein auf der Welt“, sprach er die Vorzüge internationaler Entwicklungen „nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs“ ein. Das ist seinen Worten nach erst drei Generationen her und dennoch scheinen es manche Menschen schon vergessen zu haben, das Wegfallen von Grenzen und Grenzkontrollen. Sie glaubten, es allein machen zu können, zog er das Beispiel des Brexit heran: „Doch bevor ein Auto fertig wird, fahren die dazu benötigten Teile fünfmal über den Ärmelkanal hin und her.“
Die FDP als Partei habe das verinnerlicht: „Sie sträubt sich gegen einfache Parolen. Die Welt war noch nie einfach.“ Zur Stabilisierung der Demokratie, zur Sicherung des Wohlstandes in einem unterm Strich noch immer wohlsituierten Land bedürfe es seinen Worten nach aber der Anstrengung, eines großen Maßes an Selbstverantwortung: „Es muss ja von irgendwo herkommen“, formulierte er sein Lob auf die mittelständische Wirtschaft. Sie sei das Rückgrat der Wirtschaft. Andere mögen Silicon Valley bei sich haben oder die Bankenwelt, der deutsche Mittelstand aber produziere Qualität, zähle über hundert Weltmarktführer.
Qualität forderte der studierte Erziehungswissenschaftler und Germanist auch in der Bildungspolitik an, anstatt sich in der Diskussion um die richtige Schulform ewig im Kreis zu drehen. Für ihn gehe es um die Qualität der Lehrer ebenso wie um die Qualität der Eltern. Immer wieder forderte er dabei eigene Anstrengungen ein: „Die Kunst, es nicht gewesen zu sein, ist bei uns mit am höchsten ausgebildet.“
Mehr in Bildung investieren
Obwohl die FDP selten nach dem Staat ruft, so verlangte Gerhardt doch mehr Investitionen in die Bildung: „Es geht um Fragen der Zukunft, um die immer wieder aufgeworfene Frage des Fachkräftemangels und um die Frage, wie wir mit Schulabbrechern umgehen.“ Auch auf das Thema „Umgang mit den Menschen, die zu uns kommen“, kam er zu sprechen, und damit auf Religion: „Religion ist privater Natur.“
Dazu zitierte er einen klugen Zeitgenossen, der einst sagte: „Religion soll darauf verzichten, Gott zu spielen.“ Auf alle Fälle, so Gerhardt dazu, sei „unsere Grundverfassung zu akzeptieren“. Im Umgang mit den Nachbarstaaten im Osten forderte er ein „Mindestmaß an Solidarität“ ein und im Umgang mit der Türkei, müsse man mit Bestimmtheit Grenzen setzen. Zur aktuellen Stimmung im Lande sagte Gerhardt: „Wir Liberalen haben eigentlich die schwierigste, am wenigsten populäre Botschaft – nicht alles ist vom Staat zu erwarten. Wir sind die energischste Stimme für Selbstverantwortung.“ mk